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Now Reading: VW Abgasskandal: Der Eisberg-Skandal von titanischen Ausmaßen
von JAN-TITUS WILLEBRAND
Was ist eigentlich der Vorwurf? Die Messung von Abgaswerten wurde manipuliert, damit wurden von Menschen gemachte Vorschriften missachtet. Was in Europa noch als akzeptabel galt, sollte die angeblich besonders strengen US-Abgasvorschriften unterlaufen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, dies ist eine absolut unentschuldbare kriminelle Handlung, die unnachgiebig verfolgt und aufgeklärt gehört.
Aber verglichen mit den sonstigen Rückrufaktion bei defekten Zündschlössern, defekten Tanks und explodierenden Airbags mit zahlreichen Todesfällen ist die Auswirkung hier doch vergleichsweise gering. Und in einem Rechtsstaat sollte bei allem berechtigten Aufschrei im Auge behalten werden, dass die „Strafe“ in einem angemessenen Verhältnis zum „Verbrechen“ steht. Muss wirklich gleich der ganze Konzern „gelyncht“ werden? Muss man die Arbeit von 600.000 Mitarbeitern eines Weltkonzerns jetzt mit komplett unter Generalverdacht stellen? Muss man wirklich gleich zum Boykott aller VW-Fahrzeuge aufrufen?
Die Entscheidungsstrukturen in Mega-
Konzernen sind überarbeitungsbedürftig, die Fehler dort können eine ganze Volkswirtschaft ins Wanken bringen.
Immerhin ist es zu keiner unmittelbaren Schädigung von Menschen gekommen, obwohl die klagefreudigen Amerikaner garantiert argumentieren werden, ihr aktuelles Lungenleiden sei allein auf den erhöhten Schadstoffausstoß des gerade gekauften VW zurückzuführen. Besonders absurd ist in diesem Zusammenhang, wenn ausgerechnet amerikanische Käufer jetzt mit Sammelklagen den Großaufschrei proben. Das klingt besonders pharisäerhaft, wenn man sich ansieht, dass aktuell nach Angaben des US-
Die Fakten
Was hier schockt, ist die ungeheure Dimension, dass bei einem ordentlich geführten, gewerkschaftlich dominierten und mit staatlicher Beteiligung versehenden Weltunternehmen ein derartiges Versagen von Kontrollmechanismen überhaupt möglich sein konnte.
Daneben steht das unglaubliche Ausmaß der Schadens, welches bisher die Medien, die Aufklärer und Ankläger noch nicht einmal annäherungsweise erfasst haben. Nur zum Vergleich: Die Kosten für die derzeit größte politische Herausforderung, nämlich die Flüchtlingsfrage, werden derzeit auf rund 10 Mrd. Euro für Deutschland beziffert. Allein die mögliche Strafzahlung für VW kann ein Vielfaches davon betragen, ganz abgesehen von den weiteren „Reparaturkosten“. Bei dem tatsächlichen Gesamtschaden werden die horrenden Strafzahlungen in Milliardenhöhe noch das kleinste Übel sein.
Der Eisberg, der hier schlummert, findet sich an ganz anderen Stellen:
Nach Angaben von VW erfüllen sind mehr als 11 Millionen Fahrzeuge betroffen. Sie erfüllen also nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung, da sie die aktuellen Grenzwerte im Fahrbetrieb überschreiten. Wenn man mit einem Zero-Emission-Elektroauto in Deutschland ohne grüne Umweltplakette fährt, riskiert man 200 Euro Bußgeld, was droht dann erst Fahrern eines manipulierten Diesel-Golfs, bei dem feststeht, dass die für die Zulassung erforderlichen Grenzwerte im Fahrbetrieb definitiv überschritten werden? Konsequenterweise eigentlich Bußgeld und sofortige Stilllegung.
Und noch schlimmer, Fahrer die aufgrund der aktuellen Berichterstattung davon ausgehen müssen, dass ihr Fahrzeug zu den betroffenen gehört, handeln sogar vorsätzlich. Unvorstellbar! Muss jetzt jeder im Zweifel sein Diesel-Fahrzeug stehen lassen?
Aber selbst das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn der Eisberg ist nochmals größer! Aktuell wird es VW nicht mehr gelingen, für Diesel-Fahrzeuge, die zum betroffenen Kreis gehören, überhaupt eine amtliche Zulassung zu bekommen. Und das bedeutet wahrscheinlich für tausende Fahrzeuge weltweit, dass diese gar nicht mehr ausgeliefert werden können. Nach einer aktuellen Meldung der „WELT“ hat die Schweiz bereits reagiert und erwägt einen Zulassungsstopp für VW, Schweden und andere Länder prüfen ähnliche Maßnahmen.
Alle unter Generalverdacht / Sippenhaft für alle?
Volkswagen mit mehr als 600.000 Mitarbeitern hat bereits das Ansehen der deutschen Industrie weltweit in einem unvorstellbaren Ausmaße geschädigt und steht erst am Anfang des Desasters. Mit kosmetischen Rücktritten von Vorstandsvorsitzenden und Bereichsleiter-Rochaden in homöopathischen Dosen ist es hier bei Leibe nicht getan. Die Ahnungslosigkeit von Aufsichtsräten, dem Land Niedersachsen als größten Einzel-Anteilseigner und die besondere gewerkschaftliche Verflechtung, haben entgegen vollmundigen Ankündigungen gerade nicht dazu beigetragen, eine besonders ethisch-moralische Konzernführung zu etablieren. Bereits beim Skandal um Lustreisen von VW’s Betriebsräten und dessen Vorsitzenden Peter Hartz, hatte sich ein erschreckendes Ausmaß an Kontroll- und Zügellosigkeit offenbart. Damals versprach man, besondere Kontrollmechanismen einzusetzen. Die Risse, die das nach außen propagierte „heile-Welt-Bild“ des größten deutschen Unternehmens erlitten hatte, waren gerade mühsam gekittet und VW schickte sich an, weltgrößter Automobilhersteller zu werden. Jetzt hat das Bild nicht nur Risse, es liegt verbeult in Trümmern dar.
Offenbar sind die Machtstrukturen im Konzern nicht annähernd so kontrollierbar, wie es nach außen verkündet wird. Es drängen sich Parallelen auf zu den diversen Bankenskandalen von Lehman Brothers und Co, wo eine Handvoll skrupelloser Mitarbeiter in der Lage war, ganze Unternehmen wegzufegen.
Noch weiter unter der Oberfläche des Wassers schlummern die schlimmen Folgen, nicht nur für die 600.000 VW-Mitarbeiter, sondern auch für tausende von Arbeitsplätzen rund um die Zulieferindustrie, jeder nicht verkaufte Volkswagen bedeutet sofortigen Umsatzverlust bei Zuliefern.
Unmittelbar werden für die Stadt Wolfsburg die goldenen Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen vorbei sein. Bei einem VW-Gewinn von zuletzt über zehn Milliarden Euro durfte Wolfsburg sich gigantische Steuereinnahmen aufs Konto buchen. Wenn man nur von 20 Milliarden Euro zusätzlicher Kosten ausginge, wäre bereits der Gewinn für die nächsten Jahre definitiv null und damit auch die Gewerbesteuer. Die Leidtragenden sind wie immer die einfachen Mitarbeiter und der Steuerzahler.
Auch der Volkswagen Werksclub „VW Golfsburg“ wird sich nicht mehr mit 32 Millionen Euro um sich werfen können und Spieler wie Schürrle auf der Reservebank versauern lassen.
Der Gebrauchtwagenmarkt für Diesel-PKW wird erheblich ins Trudeln kommen, denn wer hat schon Lust, jetzt einen der betroffenen VWs zu kaufen, wenn völlig unklar ist, ob man damit überhaupt fahren darf.
Eine weitere Gefahr könnte darin bestehen, dass sich durch den dramatisch gefallenen Aktienkurs Eigentümerstrukturen in ungeahnter Weiser ändern können, bis hin zu feindlichen Übernahmen. Nicht auszudenken, wenn große Private Equity Firmen, Hedge-Fonds oder gar andere Automobilhersteller auf die Idee kämen, die Gunst der Stunde zu nutzen.
Was jetzt helfen kann, ist nur ein kompletter radikaler Konzernumbau, der völlig neue Entscheidungs- und Kontrollwege aufstellt. Offenbar gab es zu viele eingespielte Seilschaften, die ein solches unvorstellbares Betrugsmanöver überhaupt erst möglich machten. Es ist schlicht unvorstellbar, dass sich dies ein paar übermotivierte Software-Nerds ausgedacht und durchgezogen haben. Da hilft immer die alte Frage „Cui bono“ und da landet man schnell wieder auf höheren (und Rendite-verantwortlichen) Entscheidungsebenen. Und genau hier sollten die Strukturen aufgebrochen und neu sortiert werden. Das ahnungslose Karussell der Aufseher und Vorstände ist dafür definitiv nicht geeignet, was ja schon durch die vorhergehenden Skandale eindrucksvoll bewiesen wurde. Oder glaubt wirklich jemand, dass die IT-ler in vollkommener Eigenverantwortung ein solches Betrugsmanöver über Jahre durchgezogen haben? Man darf schon gespannt sein, wie lange es dauern wird, bis die ersten „Whistle-blower“ im Stile von Herrn Snowden sich als willfährige Aufklärer der Presse und Staatsanwaltschaft andienen werden.
Vielleicht wäre ja schon ein erster –vorübergehender – Work-around, wenn man die Software so updaten würde, dass die Fahrzeuge quasi immer im „Test-Betrieb“ liefen. Dann sind sie zwar nicht mehr mit voller Power ausgestattet, aber sie erfüllten immerhin die Abgaswerte. Wie auch immer, eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht, aber definitiv nicht unmöglich, wenn bei Aufklärung und Verurteilung Maß gehalten wird, aber gleichzeitig schonungslos die Entscheidungsstrukturen völlig neu sortiert werden. Falls es tatsächlich zu geänderten Eigentümerverhältnissen kommen sollte würde diese garantiert als Sofortmaßnahme genau das umsetzen.
Wir sollten nicht vergessen: VW baut gute Autos und wird das auch zukünftig unter Beweis stellen, vorausgesetzt aus dieser Existenzkrise werden die richtigen Konsequenzen gezogen. Weder die Mitarbeiter noch die Steuerzahler habe dieses Ausmaß an Haftung für die Verfehlung einzelner verdient.
Written by
Jan-Titus WillebrandSeit seinem ersten Lebensjahr autoverrückt. Beweis: Sein erstes Wort war „Auto“. Neben der Autoleidenschaft noch Designer bei dgh-maker.com und Autor bei DIE WELT / WELT AM SONNTAG.
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