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„Du sollst nicht langweilen“ – Der neue MX-5

Von JUSTUS B. WILLEBRAND

Wie 302 Mitarbeiter den Kult-Roadster neu erfinden und dabei näher am Original sind, als je zuvor

Als ich ein kleiner Junge war, nahm mich mein Cousin eine Runde in seinem MX-5 mit. Erste Generation, 1992er Baujahr, 90 PS, natürlich in Rot. Und das zu einer Zeit, in der ich von Autos noch nicht viel verstand, in meinem Kopf jedoch das Credo „Mehr Leistung gleich mehr Spaß“ präsent war.

Zu einer Zeit, in der ich schon viele Kilometer in dem Porsche meines Vaters mitgefahren war. Und genau da traf es mich: die mickrige Anzahl von 90 PS machten mehr Spaß, als ich es jemals erwartet hätte. Wenn ich heute meine Lieblingsautomarken aufzähle, folgt auf Tesla, Wiesmann und Porsche der Name Mazda. „Warum?“, werde ich oft gefragt. Nun ja, es sind nicht die Kombis und SUVs von Mazda, die mich begeistern – es ist ein einziges Fahrzeug: Der MX-5!

Mit der Entwicklung der vierten Generation ging Mazda ein Risiko ein. Erstmals veränderte man die Designsprache. Aus einem niedlichen Roadster, in der ersten Generation noch mit Klappscheinwerfen, wurde nun ein aggressiv auftretender Sportwagen. Die katzenartigen Scheinwerfer, eine Wellenlinie an der Seite und ein muskulöses Heck. Und  trotzdem noch Japaner. Der MX-5 schrumpft nämlich in der Länge um 4,5 cm gegenüber der vorherigen Generation und ist damit sogar kürzer als der erste MX-5. Das Leergewicht wurde auf sagenhafte 1.000 kg heruntergeschraubt. Damit ist nur der italienische Leichtbau-Sportwagen Alfa Romeo 4C leichter. Der kostet allerdings auch das Dreifache. Denn als Pilot des Mini-Sportwagens ist man eher das Hirn und der Motor das Herz. Als Beifahrer kommt man übrigens auch vollkommen auf seine Kosten. Im Jahre 2015, in dem alle Autos größer und kräftiger werden, wird der MX-5 kleiner. Ein bisschen wie ein japanischer Bonsai. Der wird auch alle paar Jahre zurückgeschnitten, um im Endeffekt einen prachtvollen Baum, von geringer Größe zu ergeben.

Angeführt von Chefentwickler Nobuhiro Yamamoto haben noch 301 weitere Personen dem Projekt „IV-Generation“ beigewohnt. Alle haben zuvor in einer Kladde festgehalten, was sie zum Erfolg des MX-5 beitragen wollen, und was ihr Ziel für den kleinen Japaner sei. Der Erfolg beruht auf einem Zitat des amerikanischen Regisseurs Billy Wilder: „Du sollst nicht langweilen!“ Genau dieses Credo spürt man in jeder Generation MX-5.

Driving a Miata is not about the miles per hour, it’s about the smiles per hour.

Vor einigen Tagen hatte ich nun endlich das Vergnügen einer Probefahrt. Der Testwagen funkelte natürlich im klassischen Mazda-Rot. Ich öffne den Wagen und schlüpfe hinein. Die Sitzposition ist überdurchschnittlich tief. Mit meinen 1,87 m habe ich dennoch genügend Platz. Auch wenn der Wagen von innen natürlich sehr eng ist. Kein negatives „eng“, vielmehr ein sportliches. Der Wagen passt wie ein Maßanzug. Der Motor startet überraschend laut, genauso, wie man es bei einem „echten“ Sportwagen erwarten darf. Sicherlich leiser als die High-end 8-Zylinder, jedoch laut genug, um mir ein Lächeln aufs Gesicht zu legen. Die ersten Meter geht es durch ein Wohngebiet, danach auf die Landstraße. Das heißt so viel wie: Runter in den Zweiten und voll auf das Gas. Der rote Bereich beginnt bei 6.800 Umdrehungen. Kupplung treten: dritter Gang! Alles im Bruchteil einer Sekunde. Drei weitere Gänge hab ich noch zur Verfügung. Die Schaltwege sind ultrakurz, die Kupplung superweich. Der knackige Sound gibt sein Übriges dazu. Die Außenwelt fliegt nur so an mir vorbei. Ich komme mir viel zu schnell vor. Ein Blick auf den Tacho reicht nicht. Ich muss zweimal hingucken. Dort stehen gerade mal 110 km/h auf der Uhr. Jetzt merke ich erneut, was gemeint ist mit: „Beim Miata geht es nicht um Leistung oder Geschwindigkeit“, es ist einfach das Feeling während des Fahrens, welches einen davonträgt. Ich habe gerade mal 131 PS unter der Haube, einen 1,5 Liter Motor. Keine Turboaufladung, sondern eine Direkteinspritzung bringen 150 Nm Drehmoment hervor. Wer den kleinen Japaner nicht gefahren hat, wird nie verstehen, warum gerade diese Kombination so unglaublich viel Spaß machen kann.

Über die Jahre wurde der Schrei nach größeren Motoren beim MX-5 des Öfteren laut. Dazu sagte der amerikanische Motorjournalist Bob Hall, welcher an der Konzeption der ersten Generation entscheidend beteiligt war: „Driving a Miata is not about the miles per hour, it’s about the smiles per hour.“ Ein Miata soll einfach nur Spaß machen. Der Sprint auf 100 km/h wird in 8,2 Sekunden erledigt. Damit wird man keine Bestzeiten aufstellen können, aber mehr Spaß haben als in manch weitaus kostspieligerem Auto.

Ich fahre nun auf die ersten Kurven zu. Man spürt die direkte Lenkung und den Heckantrieb. Der Wagen hat eine göttliche Gewichtsverteilung. Mit dem Gas lässt sich das Heck spielend um die Kurve treiben. Bevor das (selbstverständlich abschaltbare) ESP im Grenzbereich eingreift, lässt der MX-5 seinen Fahrer sich als „besten Racer der Welt“ fühlen. Es sind immer wieder die gleichen Dinge, die den MX-5 Piloten lächeln lassen. Das war schon in der ersten Generation so.

Über die Jahre hatte der Wagen etwas Speck angesetzt und verlor ein wenig von seiner allerersten Philosophie. Die Vierte Generation übertrifft jedoch alles. „Der Neue ist ein besseres Auto für heute, als es der erste MX-5 bei seiner Premiere war. Er ist dabei viel besser und kein bisschen weniger MX-5 als der Urtyp“, sagte Bob Hall im Interview mit auto motor und sport. Wer ihn fährt, spürt wie man mit der Straße verschmilzt. Da macht jeder Kilometer, jeder Meter Spaß. Und das bei jedem Wetter. Bei meiner Fahrt regnet es. Zwischenzeitlich fahre ich trotzdem mit offenem Verdeck. Es ist wieder ein Stoffverdeck mit Handmechanismus geworden. Danke dafür, Mazda! Geöffnet und geschlossen in Nullkommanix. Kinderleicht. Als Cabrio fährt er sich natürlich noch besser. Es weht nicht, nicht einmal Regen kommt rein, aber bei mir kommt umso mehr Feeling an!

Im Verlauf der letzten 25 Jahre wurde auch die Ausstattung immer besser. So gibt es heute Recaro Sportsitze oder Alcantara im Innenraum. Sogar eine exklusiv auf den MX-5 abgestimmte Bose Soundanlage mit 7 Lautsprechern (unter anderem in den Kopfstützen) steht auf der Sonderausstattungsliste. Ob man das braucht und bereit ist, dafür Aufpreis zu zahlen, kann jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist: der Wagen wird genauso viel Spaß machen – ob mit oder ohne Alcantara. Für einen Basispreis von 22.900 Euro gibt es den 1,5 Liter, 131 PS Wagen. Es gibt noch eine 2,0 Liter Variante mit 160 PS. Diese kostet dann 3.900 Euro mehr.

Und es kommt noch besser: Die Instandhaltung ist erstaunlich günstig. Die Mazda „Skyactiv“ Motoren gelten als wartungsfreundlich. Die früheren Generationen MX-5 erreichten problemlos über 300.000 km. Auch das dürfte wieder ein Ziel gewesen sein für Chefentwickler Nobuhiro Yamamoto. Der Verbrauch liegt angegeben bei mickrigen 6,0 l/100 km. In der Realität sind es bei zügiger Fahrweise auch schon mal 7,5 Liter.

Im Endeffekt hat Mazda einen genialen und erschwinglichen Roadster geschaffen und ist sich dabei nicht nur selbst treu geblieben, sondern hat die Wurzeln seiner Philosophie noch tiefer verankert. Die Liste der Autos, welche ähnlich viel Spaß machen ist nicht sehr lang. Eins steht fest: Alle sind teurer als der MX-5. Mehr Fahrspaß für weniger Geld geht nicht!


Written by

Justus Willebrand

Hat die Welt bereist. Fährt am liebsten offen, fasziniert von der Technik und Liebhaber von 80er Jahre Ikonen. Lieblingsauto: rot


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